3. Tag
Heute stand Angkor Wat auf dem Programm.
Um dem morgendlichen Besucheransturm zu entgehen, entschieden wir uns bewusst für einen Start am frühen Nachmittag. Ob das eine gute Idee war, sollte sich noch zeigen.
Angkor Wat
Angkor Wat wurde im frühen 12. Jahrhundert unter der Herrschaft von König Suryavarman II. erbaut. Es ist das größte religiöse Bauwerk der Welt und das architektonische Herzstück des einst mächtigen Khmer-Reiches, das über weite Teile Südostasiens herrschte.
Die Architektur der Tempelanlage ist ein Meisterwerk der klassischen Khmer-Architektur. Sie ist von einem rechteckigen Wassergraben umgeben und besteht aus konzentrischen Galerien, die zu einem zentralen Turm führen. Dieser symbolisiert den Berg Meru – den heiligen Mittelpunkt des Universums in der hinduistischen und buddhistischen Kosmologie. Die Wände sind reich mit Flachreliefs verziert, die Szenen aus hinduistischen Epen wie dem Ramayana und Mahabharata zeigen.
Angkor Wat ist nicht nur ein bedeutendes religiöses Zentrum, sondern auch ein nationales Symbol Kambodschas – es ist sogar auf der Landesflagge abgebildet. Die Tempelanlage zieht jährlich Millionen von Touristen und Pilgern aus aller Welt an.
Trotz seiner Robustheit ist Angkor Wat anfällig für Umwelteinflüsse, Tourismus und natürliche Alterung. Es wird daher von der UNESCO als Weltkulturerbe geführt und steht unter internationalem Schutz.
Wir staunten nicht schlecht über die gewaltige Größe der Anlage. In der glühenden Mittagshitze schien uns der Weg bis zum eigentlichen Tempel fast endlos zu sein.
Vom äußeren Eingangstor aus führt zunächst ein breiter, etwa 190 Meter langer Damm über den Wassergraben. Anschließend geht es weiter über einen geraden Steinweg, der sich durch den weitläufigen äußeren Bereich des Tempelkomplexes zieht und schließlich zur inneren Tempelanlage führt.
Unsere Rechnung schien aufgegangen zu sein: Während der Mittagszeit war überraschend wenig los im Tempel. Die meisten Touristen hielten sich offenbar an ihre Reiseführer und hatten ihren Besuch bereits am Morgen hinter sich gebracht. Gut so! Uns freute es – wir genossen die Ruhe in dieser eindrucksvoll gut erhaltenen Anlage.
Am meisten erstaunten uns die detailreichen Reliefs und die farbigen Ornamente an vielen der Stelen und an den Decken. Davon hatten wir in all den Dokumentationen, die wir uns im Vorfeld dieser Reise angesehen hatten, nichts gesehen. Die Anlage war nicht nur riesig, sondern auch überraschend lebendig in ihrer Gestaltung. Das Licht durchflutete die großen Hallen und Gänge.
Sobald man durch einen Durchgang zu den unzähligen Innenhöfen gelangte erhielt man einen Blick auf unglaublich gut erhaltene Gebäude und kleinere Tempel, Schreine, sowie Bibliotheken.
Nachdem wir durch die dritte Galerie getreten waren, standen wir im inneren Hof – direkt am Fuß des zentralen Tempels. Die Atmosphäre war spürbar anders: ruhiger, konzentrierter. Ein junger Mönch, der mit seiner Mutter durch den Hof ging, verstärkte diesen Eindruck. Um uns herum erhoben sich die dunklen Steinmauern, unterbrochen von kunstvoll gearbeiteten Säulen und Nischen, in denen die bekannten Apsaras – in Stein gemeißelte Himmelswesen – zu sehen waren.
In der Mitte führte eine steile Treppe hinauf zum Hauptturm, dem heiligsten Teil der Anlage. Wir verweilten einen Moment auf den Steinterrassen und ließen die Stimmung auf uns wirken. Durch die wenigen Besucher wirkte der Innenhof wie eine Art Schwelle – zwischen der äußeren Welt und dem spirituellen Zentrum von Angkor Wat.
Der Aufstieg war so steil, wie es von unten ausgesehen hatte. Die schmalen Stufen forderten Konzentration, wahrscheinlich nicht ohne Grund – vielleicht sollte man den Tempel nicht einfach nebenbei betreten. Oben angekommen, bot sich ein fantastischer Blick über die Dächer der Galerien bis hin zum äußeren Wassergraben.
Im Inneren des Hauptturms war es still. Die dicken Mauern hielten die Geräusche draußen. In einer kleinen Kammer brannte eine Opferkerze, davor lagen einige Räucherstäbchen. In der Mitte stand eine goldene Buddha-Statue – schlicht und ruhig. Wir blieben einen Moment, sahen uns um, sagten nichts, fotografierten nichts. Ich glaube wir waren am Ende unserer Aufnahmefähigkeit.
Wir waren inzwischen am Ende unseres Rundgangs angelangt. Uns qualmten die Füße, wir waren hungrig und auf der Suche nach einer Toilette. Diese vermuteten wir im Seitenbereich vor dem Tempel, wo auch die Shoppingmeil lag. Daher liefen wir, den Tempel im Rücken einen der rechten Wege und entdeckten dort auch eine sehr gut gepflegte Toilette, bei der man sogar frisches, kühles Wasser kaufen konnten. Dieses Angebot nahmen wir gerne an.
Durch diese spontane Routenwahl verpassten wir leider den klassischen Rückblick auf Angkor Wat – frontal über den Damm, wie er in fast jedem Reiseführer gezeigt wird. Aber gut: Shit happens. Unser Blick zurück war trotzdem nicht schlecht.
Wieder unten warfen wir an einer nicht restaurierten Steintreppe noch einmal einen Blick nach oben. Der steile Aufstieg wirkte von hier aus noch eindrucksvoller.
Wir waren froh, dass wir den Weg über eine stabile Holzkonstruktion nehmen konnten, die über die ursprüngliche Treppe gebaut worden war. Ohne diese wäre der Zugang zum obersten Bereich des Tempels vermutlich kaum möglich gewesen.
Hinter der nächsten Ecke gelangten wir wieder in einen der Innenhöfe. Noch befanden wir uns innerhalb der innersten Galerie rund um den Hauptturm. In einem der Pavillons liefen gerade Restaurierungsarbeiten. Das Gebäude war eingerüstet, und mehrere Arbeiter waren damit beschäftigt, Steine zu sichern und beschädigte Stellen auszubessern.
Und als Extraschmankerl entdeckten wir diese interessanten Skulpturen und Bäume. Ein gelungener Abschluss dieser Besichtigungstour.
Zum Mittagessen fuhr Rani uns wieder in ein autentisches Restaurant. Das Essen war wieder sehr lecker. Gut gestärkt machten wir uns anschließend auf den Weg zu unserem nächsten Ziel.
Ta Prohm
ist einer der bekanntesten Tempel der Angkor-Region – nicht zuletzt wegen der gewaltigen Bäume, die sich über die Mauern und Dächer gelegt haben. Anders als bei Angkor Wat wurde die Anlage größtenteils im Zustand belassen, wie sie nach ihrer Wiederentdeckung vorgefunden wurde. Das Zusammenspiel von Stein und Natur verleiht dem Ort eine ganz eigene Atmosphäre.
Besonders eindrucksvoll sind die riesigen Wurzeln der Feigen- und Spung-Bäume, die sich quer über Türöffnungen legen oder Mauern durchbrechen. Einige dieser Stellen sind so ikonisch, dass sie sogar als Kulisse für den Film Tomb Raider mit Angelina Jolie dienten – was dem Tempel zusätzlich Bekanntheit verschafft hat. An mehreren Orten fühlt man sich tatsächlich wie mitten in einer Filmszene.
Viele Wege führen heute über Holzstege, um die empfindliche Struktur zu schützen. Trotz der Besuchergruppen herrscht in manchen Bereichen eine fast stille, verwunschene Stimmung. Ta Prohm ist weniger eine klassische Tempelruine als ein Ort, an dem man spürt, wie sich die Natur langsam ihr Terrain zurückholt. Ein Ort, der im Gedächtnis bleibt.
Gegen 15:30 Uhr erreichten wir Ta Prohm – und wieder schien unsere Zeitplanung aufgegangen zu sein. Uns kamen deutlich mehr Menschen entgegen, als sich mit uns auf den Weg durch die Anlage machten. Der größte Ansturm schien bereits vorbei zu sein. So konnten wir die Anlage in relativ ruhiger Atmosphäre erkunden.
Auf Ta Prohm hatten wir uns am meisten gefreut. Entsprechend gelassen nahmen wir es hin, dass eine kleine asiatische Reisegruppe, hübsch herausgeputzt, einige der besten Fotomotive in Beschlag hielt. Wir nahmen es mit Humor – und fotografierten sie hin und wieder einfach mit.
Die nächste halbe Stunde waren wir größtenteils allein unterwegs – oder zumindest so, dass uns niemand ins Bild lief. Die meisten anderen Besucher verhielten sich rücksichtsvoll und achteten darauf, den Moment nicht zu stören. So konnten wir die besondere Atmosphäre von Ta Prohm in Ruhe auf uns wirken lassen.
Nach all der Ruhe und Abgeschiedenheit staunten wir nicht schlecht, als wir hinter der nächsten Kurve plötzlich im Stau standen. Die Ursache: Filmaufnahmen. Nach der Kleidung der Models zu urteilen, vermutlich für die kambodschanische Tourismuswerbung. Doch damit nicht genug – nur wenige Meter weiter gerieten wir erneut in eine Menschentraube. Diesmal fanden gerade Fotoaufnahmen eines Modedesigners statt.
Immerhin war das Team freundlich und ließ uns kurz vor, sodass wir noch schnell ein Foto vom bekanntesten Motiv des Tempels machen konnten, bevor es für die Modeaufnahmen blockiert wurde. Danke dafür!
Nach all diesen Eindrücken muss ich wohl nicht extra betonen, dass Ta Prohm unsere Erwartungen voll und ganz erfüllt – wenn nicht sogar übertroffen – hat.
Im Ausgangsbereich, der gleichzeitig auch der Eingang war, trafen wir noch auf eine Musikgruppe. Diesmal keine Mönche, sondern Kriegsversehrte und Opfer von Landminen – ein ernüchternder Hinweis darauf, dass die Vergangenheit in Kambodscha vielerorts noch sehr präsent ist. Ihre Musik war ruhig und eindringlich – ein stiller Kontrast zur touristischen Betriebsamkeit ringsum.
Trinkgeld ist erwünscht!
So endete unser Besuch in Ta Prohm mit einem Moment der Nachdenklichkeit. Der Tempel hatte uns nicht nur durch seine spektakuläre Verbindung von Natur und Architektur beeindruckt, sondern auch durch die kleinen, stillen Begegnungen am Rand. Für uns bleibt dieser Ort als einer der eindrucksvollsten unseres Besuchs in Angkor in Erinnerung.
So langsam wurde es Zeit für den letzten Tempel des Tages. Auf diesen hatten wir uns auch schon sehr gefreut. Seine Reliefs sind einzigartig in der Welt. Wir waren sehr gespannt.
Bayon
Der Bayon-Tempel liegt im Zentrum der ehemaligen Königsstadt Angkor Thom und wurde Ende des 12. Jahrhunderts unter König Jayavarman VII. erbaut. Er ist besonders bekannt für seine 54 Türme mit über 200 lächelnden Steingesichtern, die vermutlich eine Kombination aus dem Gesicht des Königs und des Bodhisattva Avalokiteshvara darstellen.
Die Gesichtsausdrücke wirken ruhig, gelassen und zugleich durchdringend. Diese sogenannte „Khmer-Lächeln“ symbolisiert Mitgefühl, Güte und die allsehende Präsenz des Bodhisattva – oder des Königs selbst, der damit seine göttliche Legitimation unterstreichen wollte.
Bayon war der offizielle Staatstempel des Mahayana-Buddhismus und wurde später teilweise in ein hinduistisches Heiligtum umgewandelt. Architektonisch unterscheidet sich Bayon deutlich von anderen Tempeln in Angkor: Die Anlage ist komplex und wirkt auf den ersten Blick unstrukturiert, was sie besonders eindrucksvoll und einzigartig macht.
Auch in diesem Tempel kamen uns deutlich mehr Menschen entgegen als mit uns unterwegs waren. Allerdings waren wir diesmal wirklich etwas spät dran – die Sonne begann bereits, sich aus dem Inneren des Tempels zurückzuziehen. Wir mussten uns also ein wenig sputen, um noch etwas vom besonderen Licht in den Gängen und auf den Gesichtern der Türme einzufangen.
Gleich zu Beginn versuchte ein freches Äffchen doch tatsächlich, Gabi den Rucksack zu stibitzen. Zum Glück waren wir gewarnt – und Gabi schnell genug. Schmollend zog sich der kleine Dieb zurück und suchte sich wohl ein leichteres Ziel.
Es war faszinierend zu sehen, wie unterschiedlich die Reliefs in den einzelnen Tempeln gestaltet waren. Die Darstellungen im Bayon unterschieden sich deutlich von denen in Ta Prohm oder Angkor Wat – hier wirkte alles lebendiger, erzählerischer, fast schon wie ein steinernes Geschichtsbuch, das vom Alltag, vom Krieg und von zeremoniellen Szenen der Khmer erzählt.
Als wir schließlich in das Innere des Tempels vordrangen, mussten wir enttäuscht feststellen, dass der Zugang zur obersten Ebene wegen Restaurierungsarbeiten gesperrt war. Ein genaues Datum für die Wiedereröffnung wurde nicht angegeben, und es ist möglich, dass die Arbeiten noch mehrere Jahre andauern. Damit blieb uns leider die Chance verwehrt, den monumentalen Gesichtern auf Augenhöhe zu begegnen. Shit happens!
Mit diesen Eindrücken endete unsere Tour zu den drei bekanntesten Tempeln rund um Siem Reap. Unser Zeitmanagement war größtenteils gut aufgegangen – nur am letzten Tempel waren wir etwas spät dran. Sollten wir noch einmal in diese Gegend kommen (was durchaus wahrscheinlich ist), würden wir mindestens eine Stunde früher starten.
Bei der Ausfahrt aus Angkor Thom hielten wir noch kurz an der Brücke mit den bekannten Dämonenfiguren. Für gute Fotos war es allerdings schon zu dunkel – ein Grund mehr, an einem anderen Tag dorthin zurückzukehren.
Auf den Sonnenuntergang wollten wir nicht warten. Es war einfach zu voll, zu hektisch. Stattdessen baten wir Rani, uns zurück ins Hotel zu bringen. Wir waren erledigt – aber zufrieden. Ein leckeres Abendessen und unser obligatorischer Cocktail rundeten diesen eindrucksvollen Tag perfekt ab. 😊




























































































